Das BSG hat entschieden, dass Empfänger von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII regelmäßig auch dann Stufe 1 des Regelsatzes erhalten, wenn Sie mit Ihren Eltern bzw. anderen Personen zusammenleben. Dies ergibt im Vergleich zur bisherigen Handhabung der Grundsicherungsträger einen monatlichen Mehrbetrag in Höhe von 78,00 EUR.
Insoweit sollte auch ein Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB für die Vergangenheit gestellt werden.
Im Terminsbericht des Bundessozialgerichtes (Urteil v. 23.07.2014, B 8 SO 14/13 R) heißt es:
„Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückverwiesen, weil insbesondere ausreichende Feststellungen dazu fehlen, ob die verstorbene frühere Klägerin, für deren nicht bekannte Rechtsnachfolger der Rechtsanwalt der Verstorbenen den Prozess fortführt, ihre geltend gemachten Ansprüche auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch ‑ Sozialhilfe ‑ (SGB XII) an andere als den Fiskus vererbt hat. Dies ist nur der Fall, wenn die Verstorbene zu Lebzeiten ihren Bedarf mit Hilfe eines im Vertrauen auf die spätere Bewilligung von Sozialhilfe vorleistenden Dritten gedeckt hat.
Entgegen der Ansicht der Beklagten scheidet indes die Anwendung der Regelbedarfsstufe 1 bei den Leistungen für den Lebensunterhalt (§ 27a Abs 3 SGB XII iVm der Anlage zu § 28 SGB XII) für die Verstorbene nicht von vornherein mangels eigenen Haushalts aus. Vielmehr ist im Grundsatz davon auszugehen, dass erwachsenen Personen, die einen Haushalt gemeinsam führen, ohne Partner (Ehegatte, Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft oder Partner einer entsprechenden eheähnlichen bzw lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft) zu sein, seit 1.1.2011 jeweils der Regelbedarf der Regelbedarfsstufe 1 zusteht. Eine andere Lösung hätte einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG zur Folge, weil dann jede der zusammenlebenden Personen einen Regelbedarf in Höhe von nur 80 % erhielte, ohne dass zumindest eine Person ‑ wie in den sonstigen Konstellationen des Zusammenlebens ‑ unter die Regelbedarfsstufe 1 (100 %) fiele. Insoweit hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 1.1.2011 vom früheren Modell des Haushaltsvorstands Abstand genommen. Für die Zuordnung zur Regelbedarfsstufe 1 ist also nicht entscheidend, dass allein ein eigener Haushalt geführt wird, sondern es genügt ein gemeinsamer mit einer anderen Person zusammen, die nicht der Partner ist. Auch bei dieser Konstellation ist kein fremder Haushalt anzunehmen.
Damit kann Anknüpfungspunkt für eine gemeinsame Haushaltsführung beim Zusammenleben von erwachsenen Personen auch nicht die individuelle Fähigkeit der Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft sein, einen Haushalt auch ohne Unterstützungsleistung eines anderen allein führen zu können; maßgebend ist vielmehr, dass die zusammenlebenden Personen im Rahmen ihrer körperlichen und geistig-seelischen Leistungsfähigkeit an der Haushaltsführung beteiligt sind. Ansonsten würden gerade die in ihren körperlichen, geistigen und seelischen Funktionen eingeschränkten Menschen ungerechtfertigterweise schlechter gestellt. Bedürften sie einer außenstehenden Person in Form ambulanter Betreuung, würde dies sogar zu der nicht zu rechtfertigenden Annahme führen, keine dieser behinderten Personen würde einen eigenen Haushalt führen.
Ergänzend dazu wird in § 39 Satz 1 1. Halbsatz SGB XII vermutet, dass Personen bei Zusammenleben gemeinsam einen Haushalt führen. Diese Vermutung, die nicht durch § 43 Abs 1 2. Halbsatz bzw § 39 Satz 3 Nr 2 SGB XII (Nichtgeltung der ‑ teilweisen ‑ Bedarfsdeckung in einer Haushaltsgemeinschaft bei Grundsicherungsleistungen bzw bei Betreuung eines behinderten bzw pflegebedürftigen Menschen in einer Haushaltsgemeinschaft) ausgeschlossen wird, ist nicht bereits erschüttert, wenn eine Person gegenüber anderen einen geringeren Beitrag an der Haushaltsführung leistet, selbst wenn für eine umfassende Haushaltsführung notwendige Fähigkeiten fehlen. Nur wenn keinerlei eigenständige oder eine nur gänzlich unwesentliche Beteiligung vorläge, würde kein Haushalt geführt. Hierfür trüge jedoch der Sozialhilfeträger die Beweislast. Damit hat die Regelbedarfsstufe 3 für die Geldleistungen nur eine geringe praktische Bedeutung; allerdings ist ihre Anwendung ‑ abgesehen davon, dass sie als Rechenposten bei den stationären Leistungen zur Anwendung kommt ‑ nicht völlig ausgeschlossen. Einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfsstufe 3 bedurfte es nicht.“
Dr. Ronald Hofmann, LL.M (UCT)
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht