Immer wieder gibt es Probleme bei Verdachtskündigungen, d.h. wenn der Arbeitgeber aufgrund von Umständen kündigt, welche zwar den Verdacht für eine Kündigung rechtfertigende Umstände begründen, aber keine „absolute Gewissheit“ vorliegt.
Es ist mittlerweile allgemein bekannt, dass insoweit zumindest eine Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers vor Ausspruch der Kündigung erforderlich ist. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber alle zumutbaren Ermittlungen zur Aufklärung des zugrundeliegenden Sachverhaltes zu unternehmen.
Das LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 13.06.20013 – 3 Sa 208/12) hat die diesbezüglichen Anforderungen weiter konkretisiert und insbesondere klargestellt, dass jedenfalls „einseitige“ Ermittlungen nicht ausreichend sind. Insoweit führt es aus:
„a.) Die von der Beklagten vorgetragenen Tatsachen begründen auch nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht den hinreichend dringenden Tatverdacht bzw. eine hinreichend große Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger tatsächlich Geld unterschlagen hat. Es bestehen diverse verschiedene Möglichkeiten, mit denen die Differenz zwischen den Eintragungen auf dem vom Kläger ausgefüllten Gerätebeleg und dem Datenstreifen des Gerätes erklärt werden kann.
aa.) Es besteht die nicht von der Hand zu weisende Möglichkeit, dass der Geldbetrag gar nicht fehlt. Der Kläger hat das Bestehen eines Fehlbetrages bestritten. Die Beklagte hat einen Fehlbetrag nur auf Basis von zwei Dokumenten „errechnet“. Diese Berechnung erfolgte auch noch beliebig, denn der von der Beklagten genannte Fehlbetrag stimmt nicht mit den Angaben auf dem Datenträger überein. Die Beklagte hat den tatsächlichen Geldbestand in dem Spielautomaten nicht nachgezählt. Es ist daher bereits nicht zwingend davon auszugehen, dass der Beklagten überhaupt Geld fehlt.
bb.) Hierzu wäre die Beklagte jedoch verpflichtet gewesen. Das gilt auch dann, wenn zu ihren Gunsten unterstellt wird, dass der Kläger in dem Anhörungsgespräch keine näheren Angaben dazu gemacht hat, warum er vor Ort durcheinander gekommen ist. Die Beklagte hat vorgetragen, ihr sei nicht bekannt, dass das Gerät Störungen gehabt habe. Der von der Beklagten ausgewertete Datenträger (Anlage K 5) weist für den 27.06.2011 diverse Error-Meldungen aus. Das springt sofort ins Auge. Hierüber setzt sich die Beklagte schlicht hinweg. Allein schon auf Grund dieser Fallkonstellation kann sie sich nicht darauf berufen, ihr sei von Störungen nichts bekannt. Die Beklagte ignoriert die Error-Meldungen und geht einseitig zu Lasten des Klägers davon aus, dass sie nichts zu bedeuten haben. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass das Gerät nachhaltige Störungen hatte. Ebenso wenig ist auszuschließen, dass diese Störungen zu fehlerhaften Anzeigen und Aufzeichnungen geführt haben. Letztendlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger tatsächlich aufgrund dieser Error-Vorgänge nachhaltig durcheinandergeraten ist, weil er mit dem Stress nicht mehr klar kam. Damit hat die Beklagte aber nicht alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, wozu sie jedoch bei einer Verdachtskündigung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung verpflichtet ist. Sie ist nicht mit dem Maßstab eines besonnenen, verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgebers vorgegangen. Im Gegenteil, sie hat auf dem Datenträger ausgewiesene Fakten zu Lasten des Klägers schlicht ausgeblendet.
cc.) Der Kläger hat vorgetragen, dass das gestörte Gerät den Füllbestand nicht korrekt ausgewiesen habe und die Zähluhr sich im Zusammenhang mit dem mehrfachen Ein- und Ausschalten des Gerätes wiederholt erst verspätet betätigt habe, obgleich es schon Zwei-Euro-Stücke in hohem Tempo ausgezahlt habe. Die Beklagte hat das bestritten und den „Normalfall“ geschildert. Das ist unzureichend. Der Kläger hat sich auf den „Ausnahmefall“ berufen. Die Beklagte ist darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen des Kündigungsgrundes. Sie hätte daher vortragen und beweisen müssen, dass kein Ausnahmefall vorlag.
dd.) Die Beklagte ordnet das Vorbringen des Klägers schlicht als Schutzbehauptung ein und stützt sich auf seine Äußerung in dem Gespräch vom 28.7.2011 „da habe er wohl Mist gemacht“. Hieraus leitet sie ab, der Kläger habe eine Unterschlagung eingeräumt. Jedenfalls habe man das so verstehen müssen und dürfen. Nach der Überzeugung der Kammer ist dieser Satz keineswegs zwingend dahingehend zu verstehen, dass der Kläger mit seiner unstreitigen Äußerung eine Unterschlagung einräumen wollte. Er ist vom Horizont eines besonnenen Arbeitgebers vielmehr dahingehend zu verstehen, dass ein möglicher Fehler eingeräumt wurde. Anhaltspunkte für das Eingestehen einer Zueignung des Betrages ergeben sich hieraus auch nicht ansatzweise. Gleiches gilt ebenso für das Angebot des Klägers, den Betrag ggf. erstatten zu wollen. Es gibt eine Vielzahl von Fallkonstellationen, in denen Arbeitnehmer Beträge an ihren Arbeitgeber erstatten, obwohl sie diese nicht schulden. Dem Kläger war in den letzten Monaten vor Ausspruch der Kündigung diverse Male der Abschluss eines Aufhebungsvertrages nahegelegt worden. Von ihm war erst drei Tage vor dem Gespräch, nämlich bei Abschluss des Abwicklungsvertrages, absolutes Wohlverhalten während des Laufs der Kündigungsfrist verlangt worden, damit er die Abfindung erhalte.
ee.) Das Arbeitsgericht hat im Rahmen der Würdigung des Sachverhaltes auch zutreffend zu Lasten der Beklagten festgestellt, dass diese es unterlassen hat, den Imbissbetreiber zu befragen. Hierzu wäre sie jedoch verpflichtet gewesen, denn ein besonnener Arbeitgeber darf im Rahmen der notwendigen Sachverhaltsaufklärung vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nicht nur die Fakten zu Lasten des Arbeitnehmers zusammentragen, muss vielmehr auch überprüfen, ob es entlastende Fakten gibt, die gegen den Verdacht sprechen. Das gilt gerade angesichts der unstreitig dokumentierten Error-Meldungen des Spielgerätes.
ff.) Letzten Endes fehlen auch jegliche Anhaltspunkte für das notwendige Vorliegen einer Zueignungsabsicht des Klägers. Auch hierauf hat das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen.
3. Bereits vor diesem tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund kann nicht vom Vorliegen eines dringenden Verdachtes für das Vorliegen eines strafbaren Verhaltens des Klägers ausgegangen werden. Es gibt hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Differenz auf den beiden von der Beklagten ausgewerteten Belegen auf einem anderen Sachverhalt als einem Eigentumsdelikt beruhen kann. Dann aber fehlt der dringende Tatverdacht. Auf Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte der Kündigung unter Berücksichtigung des langjährigen Bestehens des Arbeitsverhältnisses war deshalb vorliegend nicht mehr einzugehen.“
Gerade in Fällen, wo eine Kündigung aufgrund unklarer tatsächlicher Umstände ausgesprochen wird, lohnt sich die gerichtliche Überprüfung der Kündigung regelmäßig.
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