Arbeitsrecht Regensburg – BAG zur Diskriminierung Schwerbehinderter

Das Bundesarbeitsgericht hat kürzlich einen interessanten Fall (Urteil vom 21.04.2016, 8 AZR 402/14) zum Schwerbehindertenrecht entschieden, in welchem der schwerbehinderte Kläger seine Position im Wesentlichen auf Europäisches Recht bzw. internationale Abkommen und der daraus resultierenden Pflicht der Bundesrepublik zur innerstaatlichen Umsetzung stützen wollte. Obwohl das deutsche Recht die Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses nicht vorsieht, argumentierte der Kläger, dass sich eine solche Verpflichtung aus Art. 2 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG ergäbe. Das Präventionsverfahren sei eine besondere Schutzmaßnahme zur Vermeidung von Nachteilen für Schwerbehinderte sowie eine „angemessene Vorkehrung“ iSv. Art. 2 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und des Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG. Werde eine solche Vorkehrung nicht getroffen, sei dies als Diskriminierung zu werten.

Das Bundesarbeitsgericht hat diese Argumentation zurückgewiesen und im Rahmen einer Pressemitteilung ausgeführt:

„Die mit einem Grad von 50 schwerbehinderte Klägerin war seit dem 1. Oktober 2012 beim beklagten Land als Leiterin der Organisationseinheit Qualitätsmanagement/Controlling des Landeskriminalamts (LKA) beschäftigt. Die Parteien hatten im Arbeitsvertrag eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart. In einem Personalgespräch am 11. Februar 2013 teilte der Präsident des LKA der Klägerin mit, dass er beabsichtige, das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Probezeit zu beenden. Mit Schreiben vom 8. März 2013 kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis zum 31. März 2013. Die Klägerin hat diese Kündigung nicht mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen. Im vorliegenden Verfahren macht sie einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend. Sie meint, das beklagte Land habe sie dadurch, dass es das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX* nicht durchgeführt habe, wegen ihrer Schwerbehinderung diskriminiert. Das Präventionsverfahren sei eine besondere Schutzmaßnahme zur Vermeidung von Nachteilen für Schwerbehinderte sowie eine „angemessene Vorkehrung“ iSv. Art. 2 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und des Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG. Werde eine solche Vorkehrung nicht getroffen, sei dies als Diskriminierung zu werten. Dadurch, dass das beklagte Land das Präventionsverfahren nicht durchgeführt habe, sei ihr die Möglichkeit genommen worden, etwaige behinderungsbedingte Fehlleistungen zu beheben.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX selbst ist keine „angemessene Vorkehrung“ iSv. Art. 2 UN-BRK und des Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG. Zudem ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses (Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG) ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchzuführen.“

Obwohl der Kläger hier (bisher) mit seiner Argumentation nicht erfolgreich war, zeigt der Fall doch recht deutlich, dass aufgrund der zunehmenden Globalisierung und einer Vielzahl von völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik, internationales Recht mehr und mehr Einfluss auf das innerstattliche deutsche Recht gelangt und selbst in augenscheinlich aussichtlosen Fällen einen entsprechenden Ansatzpunkt bieten kann. Aufgrund der konkreten Fallgestaltung ist wohl ebenfalls nicht zu erwarten, dass dies eine abschließende Entscheidung in diesem Fall sein wird. Vielmehr dürfte der Kläger wohl noch weitere zur Verfügung stehende (europäische oder internationale) Möglichkeiten ausschöpfen, welche die entschiedene Frage u.U. ganz anders beurteilen könnten.

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Dr. Ronald Hofmann, LL.M. (UCT), Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Regensburg

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