Im Frühjahr diesen Jahres hatten wir hier auf die erheblichen (zusätzlichen) Gefahren hingewiesen, die für Arbeitgeber drohen, wenn sie Arbeitnehmer / Praktikanten zu einem sehr geringen Stundenlohn beschäftigen und diese dann auf Aufstockungsleistungen des Jobcenters angewiesen sind. Seinerzeit hatte das Arbeitsgericht Cottbus die Klagen des Jobcenters gegen den Arbeitgeber noch abgewiesen.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteile vom 07.11.2014 – 6 Sa 1148/14 und 6 Sa 1149/14) hat diese Auffassung nicht geteilt und den Klagen des Jobcenters im wesentlichen stattgegeben. In einer Pressemitteilung führt es dazu aus:
„Die Vereinbarung eines Stundenlohnes von weniger als zwei Euro ist regelmäßig sittenwidrig und damit rechtsunwirksam (§ 138 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB), wenn die Vergütung mehr als 50 v.H. hinter der üblichen Vergütung zurückbleibt. Es liegt dann ein besonders grobes Missverhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der Gegenleistung des Arbeitgebers vor, das den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Arbeitgebers erlaubt. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden.
Der Arbeitgeber, ein Rechtsanwalt, beschäftigte zwei Empfänger von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) mit Bürohilfstätigkeiten gegen ein Entgelt von 100,00 EUR im Monat, was bei der abverlangten Arbeitsleistung einen Stundenlohn von weniger als zwei Euro ergab. Das Jobcenter machte aus übergegangenem Recht weitere Lohnansprüche geltend; es liege eine sittenwidrige Lohnvereinbarung vor, die den Arbeitgeber zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichte.
Das Landesarbeitsgericht hat der Klage des Jobcenters im Wesentlichen entsprochen. Die Lohnvereinbarungen führten zu einem besonders groben Missverhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der Gegenleistung des Arbeitgebers; die für einen Lohnwucher erforderliche verwerfliche Gesinnung des Arbeitgebers werde bei dieser Sachlage unterstellt. Die Arbeitsleistungen seien für den Arbeitgeber von wirtschaftlichem Wert gewesen; sie hätten ansonsten von ihm selbst oder seinen festangestellten Mitarbeitern ausgeführt werden müssen. Auch entlaste es den Arbeitgeber nicht, dass er den Leistungsempfängern eine Hinzuverdienstmöglichkeit habe einräumen wollen; denn dies berechtige ihn nicht, Arbeitsleistungen in einem Umfang abzufordern, der zu dem geringen Stundenlohn führte.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen.“
Es ist nunmehr zu vermuten, dass die Jobcenter derartige Konstellation genau prüfen und dann u.U. vermehrt möglicherweise gegen Arbeitgeber bestehende Ansprüche aus übergeleiteten Recht geltend machen werden.
Dr. Ronald Hofmann, LL.M. (UCT) Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
Regensburg
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