Ein aktueller Fall zeigt uns wieder einmal, dass die allgemeinen Vorstellungen zu den Voraussetzungen einer Kündigung wegen Alkoholkonsums am Arbeitsplatz oft nicht mit der tatsächlichen Rechtlage übereinstimmen. Bei vielen Arbeitnehmern besteht die Ansicht, wer entgegen von ausdrücklichen Verboten Alkohol am Arbeitsplatz konsumiert oder alkoholisiert zur Arbeit erscheint, kann ohne weiteres gekündigt werden. Auch viele Personalabteilungen sprechen, nachdem sie vielleicht eine oder zwei Abmahnungen erteilt haben, eine Kündigung wegen dem offensichtlich vertragswidrigen Verhalten des Arbeitnehmers aus.
Dabei wird oft (bewusst oder unbewusst) übersehen, dass der Arbeitnehmer wohl in vielen Fällen alkoholkrank sein dürfte. Andernfalls würde er ja kaum seinen Arbeitsplatz gefährden.
Liegt aber eine Alkoholkrankheit vor (und eine solche wird durch Mediziner schon viel eher angenommen, als man glauben möchte), richtet sich eine Kündigung nach ganz anderen Regeln. Insoweit sind letztlich die gleichen Voraussetzungen zu beachten, wie bei jeder anderen personenbedingten (krankheitsbedingten) Kündigung, Anwendung finden.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 20.12.2012 – 2 AZR 32/11 ) hat insoweit einige grundsätzliche Leitsätze aufgestellt:
- 1. An eine Kündigung, die auf bestehende Alkoholsucht des ArbN gestützt wird, sind grundsätzlich die Maßstäbe der krankheitsbedingten Kündigung anzulegen. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur ausnahmsweise in Frage, wenn z.B. die ordentliche Kündigung im Tarif- oder Arbeitsvertrag ausgeschlossen ist.
- 2. Eine ordentliche Kündigung wegen Alkoholsucht ist gerechtfertigt, wenn zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs die Prognose besteht, der ArbN sei nicht in der Lage, wegen seiner Alkoholsucht dauerhaft die geschuldete Arbeitsleistung ordnungsgemäß zu erbringen.
- 3. Darüber hinaus muss eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vorliegen, die nicht durch mildere Mittel abwendbar ist und vom ArbG nicht mehr hinnehmbar sein muss. Diese Beeinträchtigung kann bei einem Therapeuten einer Suchtklinik unabhängig von der Dauer der krankheitsbedingten Fehlzeiten darin liegen, dass wegen der Alkoholsucht eine sachgerechte Behandlung der Patienten nicht mehr gewährleistet ist
Selbst wenn man also schon mehrfach wegen einer Alkoholproblematik abgemahnt wurde und man sogar selbst der Meinung ist, dass man eigentlich überhaupt kein Alkoholproblem hat (was die meisten Alkoholabhängigen von sich behaupten) sind Rechtschutzmöglichkeiten gegen eine ausgesprochene Kündigung keineswegs aussichtslos sondern haben vielmehr sogar sehr gute Erfolgsaussichten.
Der Ausspruch einer Kündigung sollte auf jeden Fall den ersten Anstoß geben, über eine möglicherweise bestehende Alkoholproblematik und mögliche Lösungen nachzudenken. Zur Bewältigung der Situation wird es dann sicherlich auch beitragen, wenn man das bestehende Arbeitsverhältnis erhalten kann.
Dr. Ronald Hofmann, LL.M (UCT)
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Regensburg