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Bundessozialgericht zur Notwendigkeit der Antragsstellung beim Jobcenter

Der Verlust des Arbeitsplatzes ist für die meisten Betroffenen erst einmal ein großer Schock. Regelmäßig wendet man sich dann an die Agentur für Arbeit und stellt einen entsprechenden Antrag auf Arbeitslosengeld nach dem SGB III. Da die Höhe des Arbeitslosengeldes aber nur ca. 2/3 des bisherigen Nettolohnes beträgt, besteht gerade bei einkommensschwachen Arbeitnehmern / Familien die Gefahr, dass das Arbeitslosengeld nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. In diesen Fall werden dann oft „aufstockende“ Leistungen vom Jobcenter gezahlt.

Grundsätzlich werden diese Leistungen des Jobcenters erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung gezahlt.  Oft nimmt es eine gewisse Zeit in Anspruch, bis einem das Arbeitsamt die genaue Höhe des Arbeitslosengeldes mitteilt. Erst dann wird vielen Betroffenen letztendlich klar, dass sie mit diesem Geld nicht auskommen werden und dass sie zusätzliche Leistungen beim Jobcenter beantragen müssen.  Die Frage ist dann, ob ein solcher Antrag auch rückwirkend auf den Zeitpunkt des Beginns der Arbeitslosigkeit wirkt.

Das Bundessozialgericht (Urteil vom 02. April 2014, B 4 AS 29/13 R) hat dies nunmehr entschieden. Insoweit sind grundsätzlich zwei Fälle zu unterscheiden:

1. Wird aus irgendwelchen Gründen überhaupt kein Arbeitslosengeld gezahlt, kann eine  spätere Antragstellung beim Jobcenter gemäß § 28 SGB X rückwirkende Wirkung entfalten, d.h. aufstockende SGB-II-Leistungen können ab Beginn der Arbeitslosigkeit zu zahlen sein.

2. Reichen die Leistungen des Arbeitslosengeldes dagegen einfach nicht aus, gilt diese Vorschrift nicht. Auch andere Rechtskonstruktionen können hier zu keiner „Vorverlagerung“ des verspäteten Antrags führen.

Das Bundessozialgericht führt insoweit aus:

„Die Revisionen der Kläger waren erfolglos. Sie haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vor dem 9.2.2009. Es mangelt insoweit an einem Antrag auf Alg II/Sozialgeld. Weder haben sie einen derartigen Antrag vor diesem Zeitpunkt bei dem Beklagten gestellt, noch umfasste der bei der Arbeitsagentur am 22.12.2008 gestellte Antrag des Klägers zu 1 auf Arbeitslosengeld nach dem SGB III zugleich einen solchen der Bedarfsgemeinschaft auf Leistungen nach dem SGB II. Nach der für den Senat binden­den Auslegung dieses Antrags durch das LSG war er im konkreten Fall aus­schließlich auf das Arbeitslosengeld nach dem SGB III gerichtet. Auch vermochte sich der erkennende Senat nicht der Rechtsauffassung der Kläger anzuschließen, dass unter genereller Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes ein Arbeitslosengeldantrag nach dem SGB III immer auch einen solchen auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II umfasse. Arbeitslosengeld und Alg II/Sozialgeld unterscheiden sich im Hinblick auf Anspruchsvoraussetzungen, Leistungssystem und -verantwortung grundlegend.

Ebenso wenig bewirkt der am 9.2.2009 bei dem Beklagten gestellte Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ‑ als nachgeholter Antrag iS des § 28 SGB X ‑ eine Rückwirkung des Antragszeitpunkts auf den 1.1.2009. Die hier vorliegende Fall­konstellation, in der die andere Sozialleistung ‑ das Arbeitslosengeld nach dem SGB III ‑ nicht versagt wor­den ist, sondern bewilligt wurde und „nur“ nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft sicherzustellen, unterfällt dieser Regelung nicht.

Nach den Feststellungen des LSG können die Kläger ihr Begehren auch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Die Arbeitsagentur hat nicht gegen die ihr obliegende Beratungspflicht iS der §§ 14, 15 SGB I verstoßen.“

Aus diesem Grund kann sich gerade bei Familien mit geringen Einkommen im Falle der Kündigung des Arbeitsverhältnis die sofortige (parallele und vorsorgliche) Antragstellung beim Jobcenter lohnen.

Dr. Ronald Hofmann

www.kanzlei-hhs.de
  

 

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