Das Bundesverfassungsgericht hat nunmehr über die Verfassungsmäßigkeit der aktuellen Regelbedarfsätze entschieden (BVerfG, 1 BvL 10/12 vom 23.7.2014, Absatz-Nr. (1 – 149), http://www.bverfg.de/entscheidungen/ls20140723_1bvl001012.html) uns sich dabei insbesondere auch mit dem durch den Gesetzgeber gewählten Ermittlungsverfahren auseinandergesetzt.
Im Grundsatz wurde die Verfassungsmäßigkeit des Vorgehens des Gesetzgebers bestätigt. Generell wurde nur darauf hingewiesen, dass im existenzsichernden Bereich zukünftig eine stärkere Gewichtung auf die Preis- anstatt auf die Lohnentwicklung gelegt werden müsse.
Das Gericht hat jedoch auch einige wichtige konkrete Punkte herausgearbeitet, bei denen die Verfassungswidrigkeit nur durch eine verfassungskonforme Auslegung der maßgeblichen Vorschriften vermieden werden kann und dies mit einer (unmittelbaren) Änderung der Verwaltungspraxis in diese Punkten einhergehen muss. Folgende Punkte wurden durch das Bundesverfassungsgericht explizit herausgestellt:
1. Das Gericht hat insoweit ausdrücklich erwähnt, dass die Behörden im Falle außergewöhnlicher Preissteigerungen (als Beispiel wurde der Haushaltstrom angeführt), verpflichtet seien, schon vor der gewöhnlichen Fortschreibung der Regelsätze auf solche Ereignisse zu reagieren. Dies könnte zukünftig vor allem im Falle von kurzfristigen und extremen Preissteigerungen aufgrund der verschiedenen weltweit schwelenden Krisen relevant werden.
2. Das Bundesverfassungsgericht spricht ausdrücklich auch den Mobilitätsbedarf an, wo der Gesetzgeber Ausgaben für ein Kraftfahrzeug zwar nicht als existenznotwendig berücksichtigen muss, aber sicherzustellen hat, dass der existenznotwendige Mobilitätsbedarf künftig tatsächlich gedeckt wird. Dies könnte gerade für Hilfeempfänger, die ihren Wohnsitz im ländlichen Raum haben und wo eine Mobilität mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gewährleistet ist, von entscheidender Bedeutung sein.
3. Weiterhin stellt das höchste deutsche Gericht klar, dass beim Bedarf an langlebigen Gütern (wie Kühlschrank oder Waschmaschine), für die derzeit nur ein geringer monatlicher Betrag eingestellt wird, durch die Sozialgerichte eine Unterdeckung verhindert werden muss, indem die bestehenden Regelungen über einmalige Zuschüsse neben dem Regelbedarf verfassungskonform ausgelegt werden. Derartige Anträge auf Ersatzbeschaffung dürften daher von den Jobcentern in Zukunft also nicht mehr so einfach mit dem pauschalen Hinweis, Aufwendungen dafür wäre stets bereits im Regelsatz enthalten, abgelehnt werden.
4. Letztlich hat das Gericht auch noch einmal ausdrücklich die Situation der Kinder angesprochen. Insoweit hat es ausdrücklich klargestellt, dass die Bildungs- und Teilhabeangebote für den Bedürftigen auch tatsächlich erreichbar sein müssen, d.h. dass hinsichtlich anfallender Fahrtkosten ein Anspruch gegen die Sozialbehörde bestehen muss.
Auch wenn das Bundesverfassungsgericht das Vorgehen des Gesetzgebers grundsätzlich gebilligt hat, so sind die Auswirkungen dieser Entscheidung doch nicht zu unterschätzen. Die stärkere Fokussierung auf die Preis- anstatt die Lohnentwicklung dürfte in wirtschaftlich schwächeren Zeiten in der Zukunft (wenn zum Beispiel kaum Lohnsteigerungen zu verzeichnen sind) von großer Bedeutung sein. Weiterhin hat das Gericht durch die Herausarbeitung der verschiedenen konkreten Beispiele doch einige Ansatzpunkte geschaffen, mit denen sich in der Praxis auch neben den eigentlichen gesetzlichen Regelungen durchaus gewisse zusätzliche Ansprüche begründen lassen werden.
Dr. Ronald Hofmann, LL.M. (UCT), Regensburg
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
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