Grundsätzlich haben Eltern einen Anspruch auf Umgang mit Ihren Kindern, unabhängig von der Frage, ob die Eltern noch zusammenleben oder ein Elternteil mit den Kindern an einem weit entfernten Ort wohnt. Dies ist allgemein bekannt. Wensentlich weniger bekannt ist aber, dass der Betroffene, der nicht über ausreichendes Einkommen oder Vermögen zur Ausübung des Umgangrechtes verfügt, einen Anspruch nach dem SGB II geltend machen kann. Dies gilt selbst in den Fällen, wo die Kinder quasi auf der anderen Seite der Welt leben und ein Besuch deshalb mit sehr hohen Kosten verbunden ist.
Das Sozialgericht Berlin hat jetzt in einer aktuellen und sehr informativen Pressemitteilung die grundsätzlichen Voraussetzungen des Anspruches und einige Beispielsfälle zusammengestellt:
Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Ausübung des Umgangsrechts mit seinen Kindern ist § 21 Abs. 6 SGB II, eine bewusst allgemein gefasste Vorschrift zur Deckung besonderer Bedarfslagen: „Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.“ Dass Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums auch die Ausübung des Umgangsrechts ermöglichen müssen, ist seit langem anerkannt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 14/06 R) sind die gesetzlichen Vorschriften dabei „im Licht des Art. 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 Grundgesetz“ auszulegen“. Allerdings könne es „keine unbeschränkte Sozialisierung von Scheidungsfolgekosten“ geben. Art. 6 Abs. 1 GG lautet: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.“ Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG lautet: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.
Als Beispiele wurden genannt:
Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 21. August 2013 (S 201 AS 19424/13 ER): Das Jobcenter muss Kosten von rund 6.500 Euro für eine ausübung des Umgangsrechtes in Australien nicht bezahlen, da nur angemessene Kosten zu übernehmen sind. Daran ändere auch eine grundsätzlich allgemeine Zusage zur Kostenübernahme nichts.
LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. November 2010 (L 1 SO 133/10 B ER): Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch der Intensität des bisher gepflegten Umgangs, besteht eine Pflicht zur Übernahme der Kosten für eine jeweils fünftägige Flugreise nach Kalifornien zum Besuch des Sohnes allenfalls viermal im Jahr.
SG Koblenz, Urteil vom 14. September 2011 (S 6 AS 722/11): Flugreise in die USA allenfalls einmal pro Kalenderjahr. Es müsse eine Rechtfertigungskontrolle anhand des Maßstabes der Sozialüblichkeit angestellt werden. Maßstab sei, wie oft ein im Arbeitsleben stehender umgangsberechtigter Elternteil bei vollschichtiger Ausübung einer Tätigkeit unter Berücksichtigung seiner finanziellen Möglichkeiten sein Umgangsrecht ausüben würde.
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. Mai 2012 (L 15 AS 341/11 B ER): Übernahme von Reisekosten zu Kind nach Australien nur, wenn diese Kosten auch ein Sorgeberechtigter mit einem zwar ausreichenden, aber nicht überdurchschnittlichen Einkommen aufwenden würde. Einsparmöglichkeiten müssen ausgenutzt werden, z. B. Reisen zur saisonal günstigsten Reisezeit durchgeführt werden.
Für Betroffene in ähnlichen Situationen kann es sich also durchaus lohnen, über einen entsprechenden Antrag nachzudenken, selbst wenn es auf den ersten Blick eigentlich ausgeschlossen scheint, dass der Sozialhilfeträger deratige “Reisen” finanziert.
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