Zahlt das Jobcenter Regensburg einem Hilfeempfänger darlehensweise die Mietkaution, wird im entsprechenden Bescheid eine Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent der Regelleistung festgelegt. Das Sozialgericht Berlin hat nunemhr entschieden, dass dies zumindest beim Vorliegen von bestimmten Umständen (in abshebarer Zeit kein weiteres Einkommen mit entsprechenden Freibeträgen oder Einzug in die neue Wohnung aus einer Notlage heraus) nicht zuässig ist, da dadurch dauerhaft das verfassungsrechtliche Existenzminimum unterschritten werde.
Die Entscheidung (SG Berlin, Urteil vom 22.02.2013, S 37 AS 25006/12) lautet im Einzelnen:
“ Der Bescheid vom 27.6.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3.9.2012 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid und die dazugehörigen Vereinbarungen vom 26.3.2012 dahingehend abzuändern, dass die Mietkaution als Zuschuss gegen Abtretung des Rückerstattungsanspruchs gegenüber dem Vermieter und einer Rückzahlungsklausel für den Fall der Aufgabe der Wohnung oder der Beendigung des Leistungsbezuges gewährt wird. Der Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Tilgung eines Mietkautionsdarlehens mit laufenden Regel-leistungen.
Die 1981 geb. Klägerin beantragte am 24.2.2012 für sich und ihren 2008 geborenen Sohn Leistungen nach dem SGB II. Sie begründete ihren Antrag damit, dass sie aus der Türkei zurück nach Deutschland flüchten musste, zunächst in einer Notunterkunft für Frauen unter-gekommen war und über die Vermittlung dieser Einrichtung zum 1.3.2012 eine Wohnung im geschützten Segment (Anerkennung einer bis zu 10% über dem Richtwert liegenden Miete als angemessen) beziehen werde. Sie müsse jetzt ihr Leben neu ordnen und eine Therapie machen.
Für die Wohnung mit einer Gesamtmiete von 482 EUR war eine Kaution in Höhe von 1.026 EUR zu zahlen, wobei die erste Rate vor Übergabe der Wohnung hinterlegt werden musste.
Der Beklagte gewährt der Klägerin mangels eigener Leistungsfähigkeit ein Kautionsdarlehen nach § 22 Abs. 6 SGB II, das direkt an den Vermieter überwiesen wurde.
Sowohl mit Darlehensvertrag als auch Bewilligungsbescheid vom 26.3.2012 verpflichtete der Beklagte die Klägerin, das Darlehen nach dem Monat der Auszahlung mit 10% des maß-gebenden Regelbedarfs (= 374 EUR) zu tilgen. In § 1 des Darlehensvertrags war außerdem eine Rückzahlungspflicht für den Fall des Auszugs aus der Wohnung sowie bei Beendigung des Leistungsbezugs vereinbart worden. Der Kautionsrückerstattungsanspruch der Klägerin gegenüber dem Vermieter ist zur Sicherung des Darlehensgebers unwiderruflich an diesen abgetreten worden (§ 2). § 3 regelt eine sofortige Fälligkeit der gesamten Restkaution, wenn die Klägerin ihrer Verpflichtung zur Rückzahlung nach Beendigung der Hilfebedürftigkeit nicht nachkommen sollte.
Zunächst wurden ab Mai 2012 37,40 EUR vom Regelbedarf der Klägerin zur Darlehenstilgung abgezogen, dazu kommt eine Rate von 10 EUR, um eine Überzahlung des zuvor zuständigen Jobcenters zu tilgen.
Mit Überprüfungsantrag vom 21.5.2012 wandte sich die Klägerin gegen die laufende Kautions-Darlehenstilgung, die wegen eines erfolgreichen Eilverfahrens einstweilen ausgesetzt wurde.
Nach Zurückweisung des Überprüfungsantrags als unbegründet (Bescheid vom 27.6.2012) erhob die Klägerin Widerspruch, mit dem sie geltend machte, eine Kürzung der laufenden Leistung über 27 Monate hinweg sei nicht rechtens.
Der Beklagte verweist im Widerspruchsbescheid vom 3.9.2012 auf die geltende Rechtslage (§ 42a SGB II); ein Abzug von 10% des Regelbedarfs begründe nach der Wertung des Gesetzgebers keine Notlage, zumal die Leistungen für das Kind nicht gekürzt worden seien. Außerdem sei der Klägerin eine Tilgung des Darlehens mit dem Mehrbedarf für Allein-erziehende zumutbar, wodurch sich der Tilgungszeitraum auf acht Monate verkürze.
Hiergegen richtet sich die am 25.9.2012 beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage. Die Klägerin beruft sich auf die Entscheidung des BVerfG zum Regelbedarf, wonach eine vorübergehende Kürzung der Regelleistungen zum Zweck der Tilgung von Darlehen für zusätzliche Bedarfe (1 BvL 1/09 Rn. 150) nicht zu beanstanden sei. Daraus könne geschlossen werden, dass eine nicht nur vorübergehende Kürzung der Regelbedarfe nach §§ 20 – 23 SGB II um Bedarfe nach § 22 SGB II gegen den Grundsatz der Gewährleistung des Existenzmini-mums verstoße.
Der zur gütliche Beilegung des Rechtsstreits unterbreitete Vorschlag des Gerichts, die Kautionstilgung nach § 76 SGB IV auszusetzen, bis die Klägerin eine Arbeit findet oder in eine Maßnahme (Arbeitsgelegenheit) vermittelt wird, fand keine Zustimmung.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 27.6.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3.9.2012 aufzuheben;
den Bescheid und die dazugehörigen Vereinbarungen vom 26.3.2012 dahingehend abzuändern, dass der Klägerin für den Zeitraum ihres Leistungsbezuges Grundsicherungsleistungen ohne Einbehaltung von Tilgungsraten für eine Mietkaution bewilligt werden;
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG vorzulegen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die gesetzliche Regelung des § 22 Abs. 6 i.V.m. § 42a SGB II, eine Härte oder Existenzgefährdung bestehe als Folge der 10%-Tilgung nicht.
Ergänzend wird zum übrigen Sach- und Streitstand auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogene Leistungsakte verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 124 SGG einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Umwandlung des Kautionsdarlehens in eine Zuschuss-Leistung unter Aufrechterhaltung der dementsprechend zu modifizierenden Abtretungserklärung nach § 2 des Darlehensvertrages sowie der Rück-zahlungsklauseln für den Fall der Aufgabe der Wohnung oder der Beendigung des Leistungs-bezuges.
Nach § 22 Abs. 6 SGB II soll eine Mietkaution als Darlehen erbracht werden. Danach besteht im Regelfall die Verpflichtung, die Kaution als Darlehen unter den dann zwingenden Voraus-setzungen des § 42a SGB II (vorrangiger Vermögenseinsatz, Tilgung mit den laufenden Regel-leistungen) zu vergeben.
Für außergewöhnliche Sachverhalte (atypische Fallgestaltungen) räumt die Soll-Formulie-rung den Jobcentern jedoch die Befugnis ein, die vom Vermieter geforderte Mietsicherheit auch auf andere Weise als durch ein Mietkautionsdarlehen an den Leistungsberechtigten zu stellen (so zutreffend die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage vom 29.3.2007 BT-Drs. 16/4887 S. 2 f:
„Der Bundesregierung ist bekannt, dass verschiedene kommunale Träger der Ausreichung einer Kautionsbürgschaft gegenüber der Gewährung eines Kautionsbetrages den Vorzug geben. Die Bundesregierung hat keine Bedenken gegenüber dieser Art der Bedarfsdeckung.“
Die Neuregelungen des SGB II zum 1.4.2011 haben daran nichts geändert. Zwar sollte die bisherige – rechtswidrige (dazu BSG vom 22.3.2012 – B 4 AS 26/10 R) – Praxis der Sofort-tilgung der Mietkaution auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden, der Charakter von § 22 Abs. 6 SGB II als einer Soll-Vorschrift, was Abweichungen bei Erbringung der Kaution zu-lässt, wurde damit aber nicht geändert.
Im Gegenteil hat die mit der Vergabe als Darlehens seit 1.4.2011 zwingend verbundene Sofort-tilgung mit einer nicht disponiblen Rate (§ 42a SGB II) die Anforderungen der Behörde an die Prüfung eines atypischen Falls verschärft, um verfassungswidrige Ergebnisse zu vermeiden.
Eine ausnahmslose Soforttilgung des Kautionsdarlehens bedingte solche Ergebnisse, die ein Erlass nach § 44 SGB II nur unzureichend auffängt. Denn zum einen können über § 44 SGB II nur unbillige Folgen einer an sich rechtmäßigen Leistungskürzung gemildert werden, was den Korrektur-Maßstab der Behörde auf die Abwendung einer akuten Notlage – die hier nicht besteht – verengt; zum anderen steht die Korrekturbefugnis über § 44 SGB II im weiten Ermes-sen der Behörde, das nur sehr begrenzt einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. dazu BSG vom 9.2.1995 – 7 RAr 78/93).
Eine verfassungskonforme Auslegung der Soll-Vorschrift des § 22 Abs. 6 SGB II muss daher auf der Ebene des in Art. 1, Art. 2 GG verankerten Rechts auf Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums ansetzen; die wichtigsten Argumente hierfür sind:
& 61607; keine dauerhafte Unterschreitung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums Das BVerfG vom 9.2.2010 – 1 BvL 1/09 sah es zur Sicherung des Existenzminimums als notwendig an, dass atypische Mehrbedarfe nicht nur im SGB XII (§ 27a Abs. 4 SGB XII), sondern auch im SGB II zusätzlich zum Regelbedarf gewährt werden müssen. Der dazu geschaffene § 21 Abs. 6 SGB II definiert diesen Mehrbedarf als mehrfach wiederkehrenden Bedarf von nicht unerheblichem Gewicht. Ein Mehrbedarf in Höhe von 10% des Regelbedarfs ist erheblich i. S. des BVerfG-Urteils (BSG vom 19.8.2010 – B 14 AS 13/10 R). Wenn es also einerseits als unzumutbar angesehen wird, dass ein SGB II-Bezieher einen nicht nur gelegentlich auftretenden Mehrbedarf aus dem Regelbedarf trägt, auch wenn der Mehrbedarf weniger als 10% beträgt, kann es andererseits ohne Wertungswiderspruch nicht als zumutbar angesehen werden, dass ein Leistungsbezieher – je nach Höhe der Mietkaution – über Monate hinweg 10% des Regelbedarfs weniger hat, ohne dass dies auf Ursachen in seinem Verhalten gründet (Umzug auf eigenen Wunsch, Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II).
& 61607; Aushebelung des Ansparkonzepts Der Regelbedarf ist so bemessen, dass der Leistungsbezieher durch Umschichtungen im Ausgabeverhalten und Ansparungen genug Mittel für gelegentlich erforderliche Ersatzbeschaffungen und Zusatzbedarfe, die zum Regelbedarf nach §§ 20, 23 SGB II gehören, haben soll (neuer Kühlschrank, Reparatur des Fahrrads etc.). Muss der Leistungsbezieher wegen der Kautionstilgung über einen langen Zeitraum hinweg einen Einsatz des 10%-Puffers, der sonst für Umschichtungen und Sparrücklagen benötigt wird, für Kosten der Unterkunft, wozu die Kaution gehört, einsetzen, gerät das Konzept der Bedarfsdeckung mit festen Regelbeträgen aus den Fugen.
& 61607; Verstetigte Bedarfsunterdeckung Bewirkt die Tilgung der Kaution über einen längeren Zeitraum hinweg einen Verzicht auf 10% des Regelbedarfs, ist der Leistungsberechtigte einerseits in verstärktem Maße auf § 24 SGB II-Darlehen angewiesen, weil er keinen Puffer zum Ansparen hat, andererseits muss er bei Inanspruchnahme eines § 24 SGB II-Darlehens eine Verlängerung des Tilgungszeitraums verkraften. Bei Tilgungen über einen längeren Zeitraum hinweg sind vor allem für Familien mit Kindern Bedarfe für Reparatur- und Ersatzbeschaffungen unabweisbar.
Als sachgerechter Ansatzpunkt für eine verlässliche Bestimmung atypischer Fallgestaltungen (s. dazu Weth, info also 2011, S. 276 f) bietet sich die Rechtsprechung zum früheren § 15b BSHG zu der Frage an, wann statt eines Darlehens Anspruch auf eine Hilfegewährung als Zuschussleistung besteht. Auf diese Weise lässt sich auch eine willkürliche Schlechterstellung SGB II-Leistungsberechtigter im Vergleich zur Gruppe der Bezieher von Sozialhilfe oder Grundsicherung nach dem SGB XII vermeiden.
Ausgangspunkt für diese Überlegung ist die Erwerbszentrierung des SGB II, d. h. die typisierende Vermutung, dass der Hilfebedarf wegen des Fördergebots nur kurz besteht oder Alg II aufstockend zu Erwerbseinkommen (mit Reserven über die Freibeträge) bezogen wird.
Für Personen, die zwar erwerbsfähig nach § 8 SGB II sind, nach Lebenslage oder sonstigen Umständen aber keine Chance haben, kurzfristig aus dem Leistungsbezug herauszukommen, oder dazu zu verdienen, gilt diese Vermutung nicht. Sie befinden sich in einer ähnlichen Situation wie SGB XII-Leistungsberechtigte, was den SGB II-Träger bei der Entscheidung über einen Antrag auf Übernahme einer Kaution zu der Prüfung verpflichtet, ob der Hilfe-suchende in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht zur Rückzahlung eines Kautionsdarlehens aus Reserven außerhalb der Regelleistungen (Erwerbstätigkeitsfreibeträge, zweckfreies Schonvermögen) in der Lage sein wird (vgl. dazu OVG Bremen vom 23.9.1985 – 2 B 95/85).
Die Klägerin gehört zu diesem Personenkreis. Ihre Situation – Bezug einer Wohnung aus dem Zustand völliger Mittellosigkeit bei Unterbringung in einem Notquartier – unterscheidet sich signifikant von der eines Leistungsberechtigten mit Wohnung, der aus eigenem Wunsch oder als Reaktion auf eine Kostensenkungsaufforderung einen Wohnungswechsel planen und Vor-kehrungen zur Erlangung einer tragbaren Kaution (Privatdarlehen, Kautionsversicherung etc.) treffen kann.
Dazu kommt, dass die Klägerin als alleinerziehende Mutter und aufgrund ihres Lebens-schicksals erhebliche Vermittlungshemmnisse bei der Wiedereingliederung in das Erwerbs-leben hat.
Müsste sie in dieser Situation über Monate hinweg auf 10% des Regelbedarfs verzichten, wäre sie schlechter gestellt als ein Schuldner im Pfändungs- oder Zwangsvollstreckungsrecht (BGH vom 25.10.2012 – VII ZB 31/12), dem sogar als Täter einer unerlaubten Handlung das sozio-kulturelle Existenzminimum verbleibt (BGH vom 13.10.2011 – VII ZB 7/1: „Der Gesetzgeber, der jedem nach dem Sozialstaatsgebot ein menschenwürdiges Existenzminimum sichern muss, hat in § 850f Abs. 2 ZPO bestimmt, dass dem Schuldner einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung so viel zu belassen ist, wie er für seinen notwendigen Unterhalt bedarf. Dem notwendigen Lebensunterhalt gleichzusetzen sind die Regelleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, die nach der Wertung des Gesetzgebers das „soziokulturelle“ Existenzminimum darstellen.“).
Dass der Beklagte die Kaution, die beiden Personen in der Bedarfsgemeinschaft zusteht, „nur“ mit dem Regelbedarf der Klägerin tilgt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn abgesehen davon, dass der Beklagte damit von der auch für die Kaution geltenden Kopfteilmethode (s. dazu OVG Hamburg vom 26.4.2002 – 4 Bf 443/02) abweicht und eine familieninterne Schuldübernahme konstituiert, die dem Einzelanspruchssystem des SGB II fremd ist (zum vergleichbaren Problem bei der Einsatzgemeinschaft nach § 11 BSHG s. bereits info also 1993, S. 110), verlängert sich dadurch der Tilgungszeitraum je nach Anzahl der Kinder in der Bedarfsgemeinschaft erheblich, was die oben aufgezeigten Probleme der Bedarfsdeckung mit einem gekürzten Regelbetrag massiv verstärkt.
Muss eine größere Wohnung bzw. eine höhere Kaution wegen in der Bedarfsgemeinschaft lebender Kinder aufgewandt werden, ist umgekehrt zu prüfen, ob zumindest den Kindern als Beziehern von Sozialgeld und kopfteiligen Wohnungsnutzern eine anteilige Kaution als Zuschuss gewährt wird, um hierüber die Tilgungslast auf die Eltern als erwerbsfähige Alg II-Bezieher zu beschränken.
Dass die Klägerin einen Mehrbedarf für die Alleinerziehung erhält, ist zur Lösung der Problematik unerheblich. Der Mehrbedarf dient nicht der Kautionstilgung. Ein zweckent-fremdender Mitteleinsatz ist der Klägerin nicht zumutbar. Die sozialpolitische Entscheidung des Gesetzgebers, die der Zuerkennung des Mehrbedarfs zugrunde liegt, ist verfassungs-rechtlich anzuerkennen (BSG vom 23.8.2012 – B 4 AS 167/11 R).
Eine Vermögensbildung oder sonstige, über die notwendige Wohnungsbeschaffung hinaus-gehende Begünstigung der Klägerin ist mit der ausgeurteilten Zuschuss-Kautionsleistung in Verbindung mit der Abtretung und den Rückzahlungsklauseln nicht verbunden. Das Risiko, im Fall einer berechtigten Vereinnahmung der Kaution und Fortbestand der Hilfebedürftigkeit einen verlorenen Zuschuss gezahlt zu haben, ist gegenüber dem Sicherstellungsauftrag aus Art. 1, 2 GG hinzunehmen, in Missbrauchsfällen begrenzt § 34 SGB II die Haftung hinreichend effektiv (vgl. dazu VG Augsburg vom 15.10.2002 – Au 3 K 01.1248).
Die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage vom 15.11.2012 (BT-Drs. 17/11484) verwundert, sofern es dort heißt, die Erbringung der Mietkaution in einer vom Darlehen abweichenden Form, z. B. über eine Bürgschaft oder Verpflichtungserklärung,
„würde die Allgemeinheit – ungerechtfertigter Weise – auch dann mit den Kosten der Mietsicherheit belasten, wenn die vormals leistungsberechtigte Person nicht mehr im Leistungsbezug steht. Die Bürgschaft würde zu Zeiten des Leistungsbezuges übernommen werden und bliebe auch beim Ausscheiden aus dem Leistungsbezug bestehen.“
Bürgschaften oder Verpflichtungserklärungen anstelle einer Kautionszahlung waren schon unter Geltung des BSHG Gang und Gäbe und wurden so ausgestaltet, dass die Verpflichtung der Behörde an den Leistungsbezug und den Bestand des Mietverhältnisses geknüpft waren (s. z. B. BVerwG vom 19.5.1994 – 5 C 33/91; VG Augsburg vom 26.2.2002 – Au 3 K 01.1248; vom 4.2.2005 – Au 3 K 04.1621; VG Gelsenkirchen vom 26.6.2003 – 2 K 7262/00).
Neuerdings bieten Kautionsversicherungen mit Gebühren, die von einem SGB II-Leistungs-berechtigten getragen werden können, eine Alternative zur Kautionszahlung. Die Unterstüt-zung der Jobcenter beschränkt sich hier darauf, für die fehlende Solvenz des Mieters einzu-stehen, soweit die Kaution vom Vermieter beansprucht wird und die dann zu erbringende Versicherungsleistung an den Versicherer zurückzuzahlen ist.
Gibt es mithin keine durchgreifenden Argumente, im atypischen Fall, wie hier, in einer vom Regelfall abweichenden Form für die Mietsicherheit aufzukommen, war die Entscheidung des Beklagten, dennoch ein Kautionsdarlehen mit Soforttilgung zu vergeben, wegen Nichtgebrauch des Soll-Ermessens rechtswidrig und zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Bedarfsunter-deckung durch einen Zuschuss mit Rückerstattungsverpflichtung und Abtretungserklärung zu ersetzen.
Einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht bedarf es im vorliegenden Fall nach alldem nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.“
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