Sozialrecht Regensburg: Bei Auszug der Kinder kann das angemessene Eigenheim unangemessen werden

Grundsätzlich ist auch ein selbstgenutztes Eigenheim beim Bezug von SGB-II-Leistungen geschützt, sofern es eine bestimmte Größe nicht überschreitet. Die insoweit geltenden Grenzen liegen dabei etwas höher, als die Angemessenheitsgrenzen bei gemieteten Wohnungen bzw. Häusern. Mit dieser Regelung soll vermieden werden, dass Personen, die u.U. nur kurzfristig in den SGB-II-Bezug geraten, sofort zum Verkauf ihrer Wohnimmobilie gezwungen wären. Außerdem dürfte es auch aus fiskalischer Sicht wenig sinnvoll sein, Bezieher zum Verkauf ihrer (quasi kostenlos) selbst bewohnten Immobilie zu zwingen, wenn diese dann eine Wohnung anmieten müssen und nach einen u.U. schnellen Verbrauch des Verkaufserlöses das Jobcenter auch noch die Mietkosten übernehmen muss.

Das Bundessozialgericht (BSG, Urteil v. 12.10.2016 – B 4 AS 4/16 R)
hat nunmehr einen Fall entschieden, in dem ein eigentlich ursprünglich angemessenes Haus durch den sukzessiven Auszug der Kinder letztlich unangemessen wurde. Nach Auffassung des Gerichts sind die Leistungsbezieher in einem solchen Fall zur Verwertung, d.h. zum Verkauf des Hauses, gezwungen.

Das Bundessozialgericht führte in seiner Pressemitteilung dazu aus:

„Die Revision wurde zurückgewiesen. Die Kläger haben mangels Bedürftigkeit keinen Anspruch auf Umwandlung der darlehensweise gewährten Leistungen in einen Zuschuss. Diesem Anspruch steht entgegen, dass ihr Hausgrundstück mit Einfamilienhaus wegen seiner Größe als Vermögen zu berücksichtigen ist. Nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB II gilt nur ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe als Schonvermögen; maßgebend für die Angemessenheit sind gemäß § 12 Abs 3 S 2 SGB II die Lebensumstände während des Leistungsbezuges. Für die Beurteilung der Angemessenheit ist die Gesamtwohnfläche des auf dem Grundstück errichteten Hauses maßgeblich. Diese ist bundeseinheitlich nach den Wohnflächengrenzen des zum 1.1.2002 außer Kraft getretenen Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) zu bestimmen, differenziert nach der Anzahl der Personen. Für Familienheime mit nur einer Wohnung, die von bis zu vier Personen bewohnt werden, sah das II. WobauG eine Wohnflächengrenze von 130 qm vor. Diese Wohnflächengrenze ist bei einer Belegung mit weniger als vier Personen um jeweils 20 qm pro Person zu reduzieren. Hiervon ausgehend beträgt die Wohnflächengrenze einer angemessenen Wohnung im Fall der Kläger 110 qm, denn das Haus wurde im streitbefangenen Zeitraum nur von drei Personen bewohnt. Die Wohnfläche des Hauses von 143,39 qm übersteigt diese Grenze nicht unerheblich. Besondere Umstände, die eine Anpassung der Werte rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Nicht als normativer Anknüpfungspunkt für eine Erhöhung der allgemeinen Angemessenheitsgrenze kann entgegen der Auffassung des LSG § 82 Abs 3 S 2 II. WoBauG herangezogen werden, wonach eine Verminderung der Personenzahl nach dem erstmaligen Bezug der Wohnung für die Beurteilung der angemessenen Wohnfläche von steuerbegünstigten Wohnungen unschädlich ist. Die Verwertung des Grundstücks ist auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Zu Recht hat das LSG auf der Grundlage seiner Feststellungen besondere Umstände verneint, wonach die Verwertung für die Kläger eine besondere Härte bedeuten würde. Soweit die Kläger meinen, der Beklagte hätte ein dem „Kostensenkungsverfahren“ im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II bei unangemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung entsprechendes Verfahren durchführen müssen, verkennen sie den Regelungszusammenhang sowie den Sinn und Zweck des Kostensenkungsverfahrens.“

Diese Entscheidung ist vor allem wegen dem eintretenden „Alles-oder-Nichts-Effekt“ mehr als bedenklich. Übersteigt die jeweilige Größe die Angemessenheitsgrenze nur geringfügig, muss das gesamte Haus (komplett) verwertet werden. Hier gibt es nach der Ansicht des Bundessozialgerichts offenbar nicht die Möglichkeit, dass für die selbstgenutzte Immobilie beispielsweise nur die für den angemessenen Teil Kosten anteilig anerkannt werden, wie dies bei gemieteten Wohnungen ja der Fall ist.

Die Rechtsanwälte Dr. Hofmann, Huesmann und Sodan beraten und vertreten Privatpersonen sowie kleine und mittelständische Unternehmen vor allem in den Bereichen Arbeitsrecht, Familienrecht und Strafrecht. Eine besondere Kompetenz der Kanzlei liegt dabei in der Bearbeitung von Fällen mit internationalem Bezug, z.B. mit Berührungspunkten zu Russland oder Südafrika. Die Kommunikation mit den Anwälten kann in Deutsch, Russisch und Englisch erfolgen. Daneben kommen die Rechtsanwälte auch ihrer sozialen Verantwortung nach, insbesondere durch die Übernahme von sozialrechtlichen Mandaten im Grundsicherungsrecht, die Tätigkeit als Verfahrensbeistand in familienrechtlichen Verfahren oder die Vertretung von Personen als Pflichtverteidiger im Strafverfahren.

Dr. Ronald Hofmann, LL.M. (UCT), Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Regensburg – Nürnberg – Schmidmühlen

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