Vermutungsregel für das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft?

Grundsätzlich unterstellen die Jobcenter nach einem Dauer des Zusammenlebens von mehr als einem Jahr das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft. Diese Vorgehensweise, im Sinne einer automatischen Vermutung, könnte jetzt eine weitere Einschränkung erfahren. Das LSG Niedersachsen – Bremen (Az.: L 13 AS 269/11, Urteil vom 29.05.2013) hat insoweit eine weitere Einschränkung vorgenommen. Danach reicht das bloße „Zusammenwohnen“ nicht für das Eingreifen der Vermutungsregel, vielmehr ist eine „Partnerschaft“ zwingende Voraussetzung und das Jobcenter trägt dafür die volle Beweislast.

Das LSG führt insoweit aus:

„Objektive Tatbestandsvoraussetzung für das tatbestandliche Eingreifen der Vermutungsregel des § 7 Abs. 3a SGB II ist zunächst das Bestehen einer „Partnerschaft“. Das Bestehen eines partnerschaftlichen Zusammenlebens in einer Beziehung zeichnet sich dadurch aus, dass es auf Ausschließlichkeit und auf eine gewisse Dauer angelegt ist und daneben keine Lebensgemeinschaft gleicher Art und Intensität zulässt (vgl. BSG vom 23. August 2012 — B 4 AS 34/12 R — Rdn. 20, mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts — BVerfG — Urteil vom 17. November 1992 — 1 BvL 8/87 — BverfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr. 3; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. Januar 2008 — L 28 B 2130/07 AS ER — juris Rdn. 14), sowie dass die rechtlich zulässige Möglichkeit einer Heirat bzw. Begründung einer Lebenspartnerschaft besteht (BSG vom 23. August 2012, a. a. 0., Rdn. 20, m. w. Nachw.). Hingegen trifft es nicht zu, dass unter dem Rechtsbegriff „Partner“ zwei Personen bereits dann zu erfassen sind, wenn sie grundsätzlich heiraten könnten oder eine Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz eingehen könnten, wie der Beklagte im Widerspruchsbescheid ausgeführt hat; denn hierbei handelt es sich lediglich um ein Element einer möglichen Partnerschaft, deren Kern indes durch das Zusammenleben im Sinne eines „Zusammenseins“ bzw. „Sich-zueinander-Bekennens“ von gewisser Dauer und Intensität, unter Einschluss der genannten Ausschließlichkeit, geprägt ist. Auf die positive Feststellung dieser für die Annahme einer Partnerschaft unverzichtbaren Elemente kann nicht unter bloßem Hinweis auf die rechtlich bestehende Möglichkeit einer Eheschließung verzichtet werden. Eine Partnerschaft zeichnet sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nämlich dadurch aus, dass sich ihre Mitglieder zueinander in dem Sinne bekennen, der jeweils andere sei „die Partnerin bzw. der Partner“ oder „die Freundin oder der Freund“, man sei „zusammen“ oder lebe in einer Beziehung oder dergleichen mehr. Wesensimmanent ist das all diesen Bezeichnungen zugrunde liegende Bekenntnis zueinander, wobei es freilich nicht entscheidend ist, was die Beteiligten Dritten oder gar Behörden gegenüber auf Nachfrage angeben, sondern wie ihr Verhältnis zueinander, im Sinne eines objektiven Tatbestandsmerkmals, tatsächlich ausgestaltet ist.

Das Risiko der Nichterweislichkeit des Vorliegens dieser tatsächlichen Voraussetzungen des Bestehens einer Partnerschaft geht nach der allgemeinen Grundregel zu Lasten des Beklagten, da dieser aus dem Umstand des Vorliegens einer Partnerschaft für sich günstige Rechtsfolgen herleiten möchte.“

Das vollständige Urteil wurde von Herrn RA Beier zur Verfügung gestellt: http://www.kanzleibeier.de/Urteil_beierbeier_LSG_NBremen_L_13_AS_269_11.php.

Dr. Ronald Hofmann

www.kanzlei-hhs.de

Posted in: Sozialrecht

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