Gerät ein Bezieher von SGB-II-Leistung mit seinen Mietzahlungen in Höhe von mehr als zwei Monaten in Rückstand, droht ihm die Kündigung des Mietverhältnisses und in letzter Konsequenz auch die Räumung der Wohnung. Unter bestimmten Voraussetzungen kann dies abgewendet werden, wenn die vollständigen Rückstände innerhalb einer bestimmten Frist bezahlt werden. Für den Hilfeempfänger stellt sich dabei aber regelmäßig das Problem, dass entsprechende finanzielle Mittel dafür nicht vorhanden sind. Das SGB-II sieht daher unter bestimmten Voraussetzungen auch einen Anspruch dahingehend vor, dass Hilfeempfänger eine darlehensweise Übernahme von Mietschulden beantragen können, um dadurch eine drohende Obdachlosigkeit zu vermeiden.
Eine entscheidende Frage in diesem Zusammenhang, die durch die Sozialgerichte regelmäßig in entsprechenden Eilverfahren entschieden wird, ist, ab welchem Zeitpunkt ein solcher Anspruch besteht. Reicht allein ein faktischer Mietrückstand aus, welcher eine Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter rechtfertigen würde, muss bereits die Kündigung ausgesprochen oder sogar bereits Räumungsklage erhoben worden sein. Die Rechtsprechung der Sozialgerichte ist dabei uneinheitlich, geht aber grundsätzlich davon aus, dass entweder auf den Ausspruch der Kündigung durch den Vermieter oder die Erhebung der Räumungsklage abzustellen ist.
Das Sozialgericht Dortmund hat insoweit in einem aktuellen Verfahren wieder entschieden (Beschluss vom 3. Juni 2016 (Az.: S 19 AS 2517/16 ER), dass eine Übernahme von Mietschulden erst nach Erhebung der Räumungsklage durch den Vermieter in Betracht käme und dies wie folgt begründet:
“Ein Anordnungsgrund besteht bezüglich der Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung in der Regel erst dann, wenn dem Antragsteller konkret die Wohnungs- oder Obdachlosigkeit droht (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 15.02.2016 19 AS 203/16 ER; 17.11.2015, 2 AS 1821/15 ER; 05.11.2015 2 AS 1723/15; 03.11.2015 L 2 AS 1101/,15 B ER; 17.02.2015 – L 12 AS 47/15B ER; 23.10.2013 – L 12 AS 1449/13 B ER; 20.03.2012, – L 12 AS 352/12 B ER). Schutzgut der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bei Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 SGB II ist die Deckung des elementaren Bedarfes, eine Unterkunft zu haben. Ein Anordnungsgrund für die einstweilige Zuerkennung unterkunftsbezogener Grundsicherungsleistungen nach § 86b Abs. 2 ergibt sich demzufolge weder aus der Vermeidung von Mietschulden/Mehrkosten noch aus dem Risiko einer im Zeitablauf schwieriger werdenden Abwendung eines Wohnungsverlustes, sondern aus der konkret und zeitnah drohenden Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit (LSG NRW, Beschluss vom 15.02.2016 – L 19 AS 203/16 B ER). Dies ist regelmäßig erst mit Erhebung der Räumungsklage der Fall; insoweit reicht nicht aus, dass Mietrückstande aufgelaufen waren oder der Vermieter die Kündigung des Mietverhältnisses ausgesprochen hätte (LSG NRW, a.a.O., a,A. zur Gewährung laufender KdU LSG NRW, Beschluss vom 29.01.2015 – L 6 AS 2085/14 B ER; Beschluss vom 13.05.2015 – L 6 AS 369/15 B ER; Beschluss vom 04.05.2015 L 7 AS 139/15 13 ER). Selbst bei Erhebung und Zustellung einer Räumungsklage verbleiben im Regelfall noch zwei Monate Zeit, den Verlust der Wohnung abzuwenden. Denn nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB wird die auf Mietrückstände gestützte Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 14.07.2010 – L 19 AS 912/10 B ER).”
Diese Auffassung erscheint vor allen Dingen unter folgendem praktischen Gesichtspunkt mehr als bedenklich. Bei dieser Sichtweise zwingt man den Hilfeempfänger letztlich eine Räumungsklage abzuwarten, die üblicherweise aufgrund des Zahlungsverzuges auch tatsächlich begründet sein wird und wodurch regelmäßig hohe gegnerische Anwaltskosten und Gerichtskosten entstehen, die dann der Hilfeempfänger in letzter Konsequenz zu tragen hat. Unter Umständen wird ihm dann ein Darlehen zur Begleichung der Mietschulden bewilligt, zusätzlich sieht er sich jedoch dann weiteren möglicherweise sogar noch höheren Forderungen aufgrund der zu erstattenden Gerichtskosten und der Kosten der gegnerischen Anwälte ausgesetzt.
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Dr. Ronald Hofmann, LL.M. (UCT), Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
Regensburg – Nürnberg – Schmidmühlen