Arbeitsrecht Regensburg: Sozialversicherungspflicht des Gesellschafter-Geschäftsführers

Im Zusammenhang mit der Sozialversicherungspflicht des Gesellschafter-Geschäftsführers kommt es immer wieder zu Problemen, welche für die Gesellschaft enorme oder sogar existenzbedrohende Konsequenzen haben können. Stellt sich im Rahmen einer Betriebsprüfung (möglicherweise nach vielen Jahren) heraus, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer entgegen der bisherigen Behandlung sozialverssicherungspflichtig ist, können die dann auftretenden Nachzahlungen enorme Summen erreichen.

Für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht kann grundsätzlich auf die Höhe der Beteiligung abgestellt werden. So kann bei einer Beteiligung des Gesellschafter-Geschäftsführers von über 50 Prozent regelmäßig von einer Versicherungsfreiheit ausgegangen werden, bei einer geringeren Beteiligung regelmäßig von einer Versicherungspflicht. Allerdings kann dies  allenfalls nur ein Anhaltspunkt sein, da die Sozialgerichtsrechtsprechung sowohl für die Mehrheits- als auch für die Minderheitsbeteiligung Ausnahmefälle anerkannt hat, d.h. ein Gesellschafter-Geschäftsführer mit Mehrheitsbeteiligung kann in Ausnahmefällen sozialversicherungspflichtig, ein Gesellschafter-Geschäftsführer mit Minderheitsbeteiligung in Ausnahmefällen sozialversicherungsfrei sein.

Letzteren Fall hatte kürzlich das Hessische Landessozialgericht  (Urteil vom 15.05.2014, L 1 KR 235/13) zu beurteilen. Dem Gesellschafter-Geschäftsführer (Minderheitsbeteiligung) war im Gesellschaftsvertrag aber ein umfassendes Vetorecht bei der Bestellung weiterer Geschäftsführer und bei grundsätzlichen Entscheidungen eingeräumt wurden. Das Gericht vertrat daher die Auffassung, dass er dadurch über eine Rechtsmacht verfügt, die der eines Gesellschafters mit Sperrminorität vergleichbar sei. Wegen dieser Rechtsmacht war er selbstständig und nicht beschäftigt i.S.d. § 7 SGB IV und daher auch sozialversicherungsfrei.

Dieser Fall zeigt aber wieder einmal deutlich, die enorme Gefahr für die zutreffenden Beurteilung in dieser Frage. Gerade in der Gründungsphase eines Unternehmens kann man daher nur empfehlen, den Gesellschaftsvertrag auch hinsichtlich sozialrechtlicher Fragen bei einem Rechtsanwalt genau überprüfen zu lassen und gegebenenfalls entsprechende Änderungen in den Gesellschaftsvertrag einarbeiten zu lassen. Alternativ kann man auch eine verbindliche Auskunft beim zuständigen Sozialversicherungsträger einholen.

Dr. Ronald Hofmann, LL.M. (UCT), Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Regensburg

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Jobcenter Regensburg – Sind Hilfeempfänger „Sozialschmarotzer“?

Immer wieder bekommt man den Eindruck, dass Hilfeempfänger von einigen Mitarbeitern von Jobcentern nicht ernst genommen und nicht mit dem Respekt behandelt werden, den sie eigentlich verdienen. Die verbreitete Behandlung der Hilfeempfänger als Bittsteller ist dann oft noch das kleinste Problem.

Das Jobcenter Regensburg Stadt, oder besser gesagt ein dortiger Mitarbeiter, hat sich jetzt in einer Art und Weise geoutet, die kaum mehr zu übertreffen ist.

In einem Verfahren vor dem Sozialgericht Regensburg geht es um einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid. Diesem liegt das typische Problem zugrunde, dass regelmäßig eine massive finanzielle Lücke entsteht, wenn der Hilfeempfänger eine Arbeit findet und das erste Gehalt genau am Ende des ersten Arbeitsmonates bekommt. Dann hat er für diesen Monat zum Monatsanfang noch Leistungen vom Jobcenter erhalten, ist aber rechtlich gesehen wegen des Lohnzuflusses (am Ende des ersten Monats) nicht mehr hilfebedürftig und muss die erhaltenen Leistungen zurückzahlen. Praktisch gesehen ist dies natürlich kaum möglich, da diese (erste) Gehalt ja zur Bestreitung der laufenden Kosten bis zur nächsten Gehaltszahlung am Ende des Folgemonats benötigt wird.

In diesem Verfahren haben wir die Auffassung vertreten, dass das Jobcenter Regensburg Stadt, dass von der Arbeitsaufnahme und einer möglichen Gehaltszahlung am Ende des Monats wusste, den Hilfeempfänger dahingehend beraten hätte müssen, dass dieser im Einvernehmen mit seinem neuen Arbeitgeber die (erste) Gehaltszahlung nur um einen Tag hinausschiebt. Dann wäre nämlich eine Rückzahlung nicht zu leisten gewesen. Hinsichtlich der Frage nach dem Bestehen und der Reichweite einer solchen Beratungspflicht kann man natürlich juristisch vortrefflich streiten.

Immerhin führt die einschlägige Literatur aber aus (von Wulffen / Schütze, SGB X (14. Aufl.), § 48 Rn. 21):

Hat der Leistungsträger nach Kenntnisnahme einer mit Nachteilen für den Betroffenen verbundenen Änderung keine Schadensbegrenzung durch Beratung vorgenommen, erfordert die Aufhebung des VA die Ausübung von Ermessen (BSG v 29.11.1989 – BSGE 66, 111 = SozR 4100 § 103 Nr 47). Indes muss die rückwirkende Aufhebung bei Vermeidbarkeit der Überzahlung durch eine Mitteilung des Leistungsträgers nicht mit Ermessenserwägungen begründet werden, wenn ein Leistungsempfänger in Verletzung seiner Mitteilungspflicht nach § 60 SGB I bewusst eine ihm nachteilige Änderung der Verhältnisse verschweigt (BSG v 3.7.1991 – 9b RAr 2/90 – SozR 3-1300 § 48 Nr 10).

Die Antwort des Jobcenters Regensburg Stadt lautete wie folgt und bedarf wohl keines weiteren Kommentars:

„Die Aufforderung des Bevollmächtigten, darüber hinaus den Leistungsberechtigten zu beraten, wie die steuerzahlende Allgemeinheit weiter belastet werden kann, wird nicht als unsere Aufgabe angesehen.“

Dieser Satz sagt sehr viel über die höchst bedenkliche Einstellung des entsprechenden Sachbearbeiters des Jobcenters Regensburg Stadt aus.

Dr. Ronald Hofmann, LL.M. (UCT), Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Regensburg

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Sozialrecht Regensburg: Mehrbedarfszuschläge für Alleinerziehende

Gerade alleinerziehende Eltern sind relativ häufig auf (Aufstockungs-) Leistungen nach dem SGB II angewiesen. Die oft immer noch unzureichenden und unflexiblen Kinderbetreuungsmöglichkeiten zwingen alleinerziehende Eltern regelmäßig, die berufliche Tätigkeit wesentlich einzuschränken. Dies führt dann letztlich immer wieder dazu, dass sie mit der verbleibenden Erwerbstätigkeit und dem daraus erzielten Einkommen nicht mehr in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt allein zu bestreiten und deswegen auf die Beantragung von Leistungen nach dem SGB II angewiesen sind.

Gerade für alleinerziehende Eltern sieht § 21 Abs. 3 SGB II erhebliche zusätzliche Leistungen vor, deren Höhe sich vor allem nach dem Alter und der Anzahl der Kinder richtet. Ausgangspunkt für die Berechnung des Zuschlages ist dabei immer die Höhe des aktuellen Regelsatzes.

Folgende Zuschläge werden gewährt:

Alter der Kinder Mehrbedarf in Prozent
1 Kind bis 7 Jahre 36
1 Kind über 7 Jahre 12
2 Kinder unter 16 Jahren 36
2 Kinder über 16 Jahren 24
1 Kind unter 16 und 1 Kind über 16 Jahren 24
3 Kinder 36
4 Kinder 48
5 Kinder und mehr 60

Beachtet man, dass der aktuelle Regelsatz bei 391,00 EUR liegt, können einem Alleinerziehend monatlich doch erheblich höhere Mittel zustehen.

Besonders wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass dieser Zuschlag zumindest anteilig auch bei den sog. Wechselmodellen zu zahlen ist, d.h. bei Kindern die zeitweise bei einem und zeitweise bei dem anderen Elternteil wohnen.

Unsere Erfahrung zeigt, dass auch das Jobcenter Regensburg immer wieder „vergisst“, diese Zuschläge zu gewähren bzw. es werden bei Konstellationen mit mehreren Kindern oft zu geringe Sätze angesetzt. Eine genaue Überprüfung kann sich hier oft lohnen.

Dr. Ronald Hofmann, LL.M. (UCT), Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Regensburg

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Arbeitsrecht Regensburg: BAG hält „Mehrurlaub“ für ältere Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen für zulässig

Im Arbeitsrecht stellt sich immer wieder die Frage nach der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer bzw. ob eine Ungleichbehandlung im Einzelfall gerechtfertigt sein kann. So ist beispielsweise problematisch, ob man älteren Arbeitnehmern mehr Urlaub zu gewähren kann als jüngeren Beschäftigten oder ob dies eine unzulässige Diskriminierung aufgrund des Alters darstellt.

In der Vergangenheit hatte das Bundesarbeitsgericht in einem Fall, in dem 40jährigen Kollegen mehr Urlaubstage als jüngeren Kollegen gewährt wurden, eine gerechtfertigte Diskriminierung verneint. In einem aktuellen Fall (BAG, Urteil vom 21.10.2014, 9 AZR 956/12) hielt das Bundesarbeitsgericht dagegen eine Abstufung des Urlaubsanspruches nach verschiedenen Altersgruppen für zulässig. Im konkreten Fall wurde Arbeitnehmern über 58 Jahren mehr Urlaub gewährt. Das Bundesarbeitsgericht begründete hier seine Entscheidung damit, dass eine Diskriminierung aufgrund des Alters gerechtfertigt sein kann, wenn sie al­ters­be­dingt wirk­lich schutz­be­dürf­tig sind. Bei Über-58jährigen kann dies der Fall sein, bei (nur) Über-40jährigen wohl (noch) nicht.

Letztlich hat das Bundesarbeitsgericht hier aber keine feste Grenze gesetzt und vielmehr nur zwei konkrete Einzelfälle betrachtet. Genaue Prognosen in diesem Bereich sind daher schwierig. Es ist daher wichtig, dass man sich die besondere Problematik bei einer Bevorzugung / Benachteiligung von Mitarbeitern aufgrund deren Alters stets vor Augen hält und die möglicherweise weitreichenden Konsequenzen bedenkt.

Dr. Ronald Hofmann, LL.M. (UCT), Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Jobcenter Regensburg: Mehrfache Absetzung des Freibetrages bei Gehaltsnachzahlungen

Im SGB II gilt grundsätzlich das Zuflussprinzip, d.h. Einkommen ist in dem Monat zu berücksichtigen, in welchem es dem Hilfebedürftigen tatsächlich zufließt. Dies kann in vielerlei Hinsicht zu Probleme und teilweise auch zu existenzbedrohenden „Einkommenslücken“ führen.

Das Bundessozialgericht (Urteil vom 17.07. 2014 – B 14 AS 25/13 R) hatte sich jetzt mit einem Fall zu befassen, wo eine Nachzahlung von Lohn für mehrere Monate auf einmal erfolgte und das zuständige Jobcenter den Grundfreibetrag nur einmal anerkannte und nicht entsprechend der Anzahl der Monate in welchen die Gesamtzahlung „verdient“ wurde. Aufgrund der verspäteten Zahlung entstand für den Hilfeempfänger insgesamt betrachtet ein erheblicher finanzieller Nachteil, obwohl ihn an der verspäteten Zahlung keinerlei Verschulden traf. Auch das Jobcenter Regensburg verfährt üblicherweise so.

Dieser Vorgehensweise ist das Bundessozialgericht nun entgegen getreten und hat entschieden, dass der Grundfreibetrag nach § 11b  Abs. 2 Satz 2 SGB II beim Zufluss eines über einen Zeitraum von mehreren Monaten erarbeiteten Erwerbseinkommens innerhalb eines Monats für jeden dieser Monate gesondert abzusetzen ist. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn der Grundfreibetrag andernfalls bei Erwerbseinkommen aus nur einem Beschäftigungsverhältnis mangels Zahlungseingangs in den anderen Monaten überhaupt nicht abgesetzt werden konnte.

Dr. R. Hofmann, LL.M. (UCT), Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Sozialrecht Regensburg: Hinreichende Klarheit von Bescheiden

Wer kennt nicht das Problem, dass Bescheide der Jobcenter oft nicht nachvollziehbar sind. Insbesondere bei einem wechselnden Einkommen des Hilfeempfängers ergeben sich schnell einmal Bescheide mit einem Berechnungsbogen von 20 Seiten. Auch Aufhebungs- und Erstattungsbescheide sind oft problematisch, da die eigentlich vorgenommene Berechnung in diesen oft nicht ausreichend dargestellt werden. Selbst für den Anwalt sind solche Verfügungen dann kaum mehr nachvollziehbar. Der Leistungsberechtigte ist dann völlig überfordert und kann normalerweise nicht einmal ansatzweise einschätzen, ob der Bescheid rechtmäßig ist oder nicht.

Gemäß § 33 Abs. 1 SGB X muss eine Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Was damit allerdings gemein ist, beschreibt das Gesetz selbst nicht konkret. Die Sozialgerichte sind in diesem Zusammenhang recht großzügig und halten eine hinreichende Bestimmtheit oft auch dann noch gegeben, wenn der eigentliche Inhalt des Bescheides nur unter Heranziehung sonstiger (früherer) Bescheide oder anderer Umstände möglich ist. Was für den Rechtsanwalt schon kaum oder nur mit erheblichen Aufwand notwendig ist, lässt einen juristisch nicht vorgebildeten Betrachter aber regelmäßig scheitern.

Das Sozialgericht Hamburg (Urteil vom 16.06.2014, S 53 AS 4467/14) hat eine hinreichende Bestimmtheit aber nunmehr bei einem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid verneint, wenn die aufzuhebenden Bescheide datumsmäßig nicht genau bezeichnet werden. In einem solchen Fall lässt sich die konkrete Reichweite der Verfügung eben nicht mehr genau erkennen.

Eine noch „größere Unbestimmtheit“  haben wir in einem aktuellen, noch laufenden Verfahren vor dem Sozialgericht Landshut vorgefunden. Dort hatte das Jobcenter einfach „alle Bescheide im Zeitraum von … bis …“ aufgehoben. Offenbar wollte man sich den Aufwand ersparen, alle Bescheide dieses über mehrere Jahre gehenden Zeitraumes herauszusuchen. Zusätzlich besteht noch das Problem, das teilweise Bescheide aufgehoben bzw. die entsprechenden Beträge zurückverlangt werden, welche gar nicht durch das Jobcenter selbst bewilligt wurden. Da die betroffene Kommune seinerzeit eine andere Organisationsstruktur gewählt hatte, wurde der Anteil für Unterkunft und Heizung vom Landratsamt und nicht vom Jobcenter bewilligt.

Dr. Ronald Hofmann, LL.M. (UCT), Regensburg

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Sozialrecht Regensburg: Immer wieder Probleme bei bestrittener Bedarfsgemeinschaft

In der Vergangenheit hatten wir ja bereits mehrfach darüber berichtet, zu welchen Problemen es bei einer „nicht eindeutigen Bedarfsgemeinschaft“ kommen kann. So hatten wir beispielsweise dargelegt, dass die Vermutungsregelung nach einem Jahr des Zusammenlebens keinesfalls unumstößlich ist, obwohl dies von den Jobcentern oft gern so gehandhabt wird.

Nunmehr hat sich das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (Urteil vom 27.03.2014 – L 2 AS 877/12) mit dem Fall beschäftigt, dass ein Hilfeempfänger nach Ansicht des Jobcenters mit einer Person in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, die selbst keine Leistungen bezieht und das Jobcenter von dieser Person Informationen möchte. In dem entschiedenen Fall hatte das Jobcenter von dem „Partner“ die Vorlage diverser Formulare und Nachweise über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse verlangt. Das Gericht hat ein solches Vorgehen für unzulässig erachtet. Die Jobcenter dürfen demnach nicht zur Einreichung der ausgefüllten Anlagen EK, VM und WEP und zur Vorlage von Einkommensnachweisen auffordern, wenn das Bestehen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft vom Partner bestritten wird und dieser keine SGB II-Leistungen beantragt hat. Hierfür fehlte es an einer gesetzlichen Grundlage. § 60 Abs. 4 Satz 1 SGB II berechtigt ausschließlich zur Anforderungen von Auskünften.

Dr. Ronald Hofmann, LL.M. (UCT), Regensburg

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Bundesverfassungsgericht: Sozialrechtliche Regelsätze „derzeit noch“ verfassungsgemäß

Das Bundesverfassungsgericht hat nunmehr über die Verfassungsmäßigkeit der aktuellen Regelbedarfsätze entschieden (BVerfG, 1 BvL 10/12 vom 23.7.2014, Absatz-Nr. (1 – 149), http://www.bverfg.de/entscheidungen/ls20140723_1bvl001012.html) uns sich dabei insbesondere auch mit dem durch den Gesetzgeber gewählten Ermittlungsverfahren auseinandergesetzt.

Im Grundsatz wurde die Verfassungsmäßigkeit des Vorgehens des Gesetzgebers bestätigt. Generell wurde nur darauf hingewiesen, dass im existenzsichernden Bereich zukünftig eine stärkere Gewichtung auf die Preis- anstatt auf die Lohnentwicklung gelegt werden müsse.

Das Gericht hat jedoch auch einige wichtige konkrete Punkte herausgearbeitet, bei denen die Verfassungswidrigkeit nur durch eine verfassungskonforme Auslegung der maßgeblichen Vorschriften vermieden werden kann und dies mit einer (unmittelbaren) Änderung der Verwaltungspraxis in diese Punkten einhergehen muss. Folgende Punkte wurden durch das Bundesverfassungsgericht explizit herausgestellt:

1. Das Gericht hat insoweit ausdrücklich erwähnt, dass die Behörden im Falle außergewöhnlicher Preissteigerungen (als Beispiel wurde der Haushaltstrom angeführt), verpflichtet seien, schon vor der gewöhnlichen Fortschreibung der Regelsätze auf solche Ereignisse zu reagieren. Dies könnte zukünftig vor allem im Falle von kurzfristigen und extremen Preissteigerungen aufgrund der verschiedenen weltweit schwelenden Krisen relevant werden.

2. Das Bundesverfassungsgericht spricht ausdrücklich auch den Mobilitätsbedarf an, wo der  Gesetzgeber Ausgaben für ein Kraftfahrzeug zwar nicht als existenznotwendig berücksichtigen muss, aber sicherzustellen hat, dass der existenznotwendige Mobilitätsbedarf künftig tatsächlich gedeckt wird. Dies könnte gerade für Hilfeempfänger, die ihren Wohnsitz im ländlichen Raum haben und wo eine Mobilität mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gewährleistet ist, von entscheidender Bedeutung sein.

3. Weiterhin stellt das höchste deutsche Gericht klar, dass beim Bedarf an langlebigen Gütern (wie Kühlschrank oder Waschmaschine), für die derzeit nur ein geringer monatlicher Betrag eingestellt wird, durch die Sozialgerichte eine Unterdeckung verhindert werden muss, indem  die bestehenden Regelungen über einmalige Zuschüsse neben dem Regelbedarf verfassungskonform ausgelegt werden. Derartige Anträge auf Ersatzbeschaffung dürften daher von den Jobcentern in Zukunft also nicht mehr so einfach mit dem pauschalen Hinweis, Aufwendungen dafür wäre stets bereits im Regelsatz enthalten, abgelehnt werden.

4. Letztlich hat das Gericht auch noch einmal ausdrücklich die Situation der Kinder angesprochen. Insoweit hat es ausdrücklich klargestellt, dass die Bildungs- und Teilhabeangebote für den Bedürftigen auch tatsächlich erreichbar sein müssen, d.h. dass hinsichtlich anfallender Fahrtkosten ein Anspruch gegen die Sozialbehörde bestehen muss.

Auch wenn das Bundesverfassungsgericht das Vorgehen des Gesetzgebers grundsätzlich gebilligt hat, so sind die Auswirkungen dieser Entscheidung doch nicht zu unterschätzen. Die stärkere Fokussierung auf die Preis- anstatt die Lohnentwicklung dürfte in wirtschaftlich schwächeren Zeiten in der Zukunft (wenn zum Beispiel kaum Lohnsteigerungen zu verzeichnen sind) von großer Bedeutung sein. Weiterhin hat das Gericht durch die Herausarbeitung der verschiedenen konkreten Beispiele doch einige Ansatzpunkte geschaffen, mit denen sich in der Praxis auch neben den eigentlichen gesetzlichen Regelungen durchaus gewisse zusätzliche Ansprüche begründen lassen werden.

 

Dr. Ronald Hofmann, LL.M. (UCT), Regensburg

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Das Jobcenter Kelheim und der Schutz des Sozialgeheimnisses!

Während es die meisten Jobcenter mit dem Schutz des Sozialgeheimnisses oft etwas lax sehen, scheint das Jobcenter Kelheim diesbezüglich eine Ausnahme darzustellen.

In der Vergangenheit hatten wir da schon einmal die Mitteilung bekommen, man könne den Bescheid nicht vorab per Fax schicken, weil dies mit dem Schutz des Sozialgeheimnisses nicht vereinbar sei. Mittlerweile sieht man das offenbar wieder etwas anders und sendet vertrauliche Informationen auch per Telefax.

Dafür besteht man jetzt aber auf einer Vollmacht für jedes Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft und verlangt auch für jedes Widerspruchsverfahren einen gesonderten neuen Nachweis.  Etwas widersprüchlich erscheint nur, dass bereits im Vorfeld die Übersendung eine Akte erfolgte, die sämtliche Widerspruchsverfahren und auch sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft betraf.

Grundsätzlich ist es aber natürlich durchaus anerkennenswert, wenn ein entsprechendes Problembewusstsein bei den Jobcentern entsteht. Das Jobcenter Regensburg Stadt kommuniziert dagegen beispielsweise regelmäßig sensible, dem Sozialgeheimnis unterliegenden Daten von Hilfeempfängern mit dem der städtischen Wohnungsbaugesellschaft „Stadtbau GmbH“ oder dem Finanzamt Regensburg und sieht sich selbst nach mehrfachen Hinweis nicht genötigt, diese Praxis zu ändern.

Dr. Ronald Hofmann, LL.M (UCT), Regensburg

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Jobcenter Regensburg: Probleme bei Immobilienvermögen

Immer wieder kommt es zu Problemen wenn Leistungsempfänger über Immobilienvermögen verfügen. Es stellt sich dann die Frage, inwieweit dieses zu verwerten und mit dem Erlös vorrangig vor dem Bezug von SGB-II-Leistungen der Lebensunterhalt zu bestreiten ist.

In einem aktuellen Fall beim Jobcenter Regensburg stellt sich für uns folgendes Problem. Unser Mandant war nur kurzfristig in eine finanzielle Notlage geraten und musste Leistungen nach dem SGB II beantragen. Gleichzeitig war er zu ½ Mieteigentümer einer Eigentumswohnung (nicht selbst bewohnt) im Rahmen einer Erbengemeinschaft. Das Jobcenter gewährte daraufhin Leistungen lediglich als Darlehn, forderte diese aber nach dem erfolgten Verkauf der Wohnung komplett zurück.

Grundsätzlich kann man beim Problem des Immobilieneigentumes beim Bezug von SGB-II-Leistungen insoweit zwei Gruppen von Fällen unterscheiden:

Zum einen gibt es die Fälle der selbstbewohnte Immobilie. Diese ist grundsätzlich geschützt, d.h. das Jobcenter kann nicht einfach einen Verkauf der Immobilie verlangen. Etwas anderes gilt aber dann, wenn bestimmte Größen überschritten werden. Das Gesetz regelt diese Angemessenheitsgrenzen nicht ausdrücklich, folgende Richtwerte wurden aber von der Rechtsprechung der Sozialgerichte entwickelt:

Für selbst genutzte Einfamilienhäuser gilt dabei als jeweils angemessen für

  • einen Haushalt mit ein bis zwei Personen eine Wohnfläche von 90 qm
  • einen Haushalt mit drei Personen eine Wohnfläche von 110 qm
  • einen Haushalt mit vier Personen eine Wohnfläche von 130 qm.

Für selbst genutzte Eigentumswohnungen gilt als jeweils angemessen für

  • einen Haushalt mit ein bis zwei Personen eine Wohnfläche von 80 qm
  • einen Haushalt mit drei Personen eine Wohnfläche von 100 qm
  • einen Haushalt mit vier Personen eine Wohnfläche von 120 qm.

Bei größeren Bedarfsgemeinschaften gibt es für jede weitere Person ein Zuschlag von 20 qm.

Werden diese Grenzen überschritten, muss die Immobilie grundsätzlich verwertet werden, wobei aus vielfältigen anderen Umständen des Einzelfalles auch in diesen Fällen eine andere Betrachtung gerechtfertigt sein kann.

Andere als selbstgenutzte Immobilien sind grundsätzlich zu verkaufen und der Erlös ist vorrangig für die Bestreitung des Lebensunterhaltes einzusetzen. In diesen Fällen bewilligen die Jobcenter dann Leistungen meist nur darlehensweise und fordern diese Leistungen dann vollständig zurück, wenn die Immobilie verkauft wurde. Teilweise lassen die Jobcenter sich zur Sicherung dieses Anspruches auch Grundschulden eintragen.

Allerdings gibt es auch insoweit Einschränkungen. Leistungen können durch das Jobcenter jedenfalls dann nicht lediglich als Darlehen gewährt werden, sondern sind vielmehr als (nicht rückzahlbarer) Zuschuss zu leisten, wenn eine Verwertung der Immobilie in absehbarer Zeit nicht möglich ist. Dies kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn der Hilfeempfänger nicht alleiniger Eigentümer der Immobilie ist. In diesem Fall ist er ja rechtlich überhaupt nicht in der Lage, das Haus oder die Wohnung alleine zu verkaufen, sondern er ist zwingend auf die Zustimmung der anderen Miteigentümer angewiesen. Weiterhin wird auch von einer fehlenden Verwertbarkeit auszugehen sein, wenn das Objekt zum Beispiel mit einem Nießbrauch oder einem Wohnrecht belastet ist. Auch wenn das Sozialgericht Stuttgart, Urteil vom 12.05.2014 – S 19 AS 1291/11, wieder einmal bestätigt hat, dass ein Wohnrecht eines Verwandten in einer nicht selbst genutzten Immobilie die Verwertbarkeit grundsätzlich nicht zwingend ausschließt, sondern vielmehr im Einzelfall darzulegen ist, dass eine Verwertung durch Vermietung, Verpachtung oder Beleihung nicht möglich ist, wird in vielen derartigen Fällen eine Unverwertbarkeit vorliegen und auch nachzuweisen sein.

In dem angesprochenen Fall hätte das Jobcenter Regensburg die Leistungen nicht lediglich als Darlehen erbringen und dann zurückfordern dürfen, da unser Mandant die Wohnung (zumindest allein) ja überhaupt nicht verwerten konnte (Eine mögliche Beleihung war in diesem Fall auch nicht möglich).

In diesem Zusammenhang gibt es verschiedenste, im Rahmen der Gesetze mögliche, Konstruktionen, mit denen sich Immobilieneigentum vor dem Zugriff des Jobcenters schützen lässt. Im Falle einer vorübergehenden Notlage muss man dann nicht zwingend seine vielleicht einzige Altersvorsorge aufopfern, um diese kurzfristige Notlage zu überbrücken. Wichtig ist jedoch, dass entsprechende Schritte bereits im Vorfeld ergriffen werden. Insoweit ist eine umfassende und kompetente Beratung unerlässlich.


Dr. Ronald Hofmann, LL.M (UCT), Regensburg

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

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